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Es ist vollbracht!

Die Bio-LK-Kursleiter Hofmann und Holzfrau über die Abschlussfahrt nach Pietra Ligure

Wenn im Haeckelschen Sinne die Ontogenese als kurze und schnelle Wiederholung der Phylogenese verstanden werden kann, so kann dies auf die Schule übertragen bedeuten, daß eine Studienfahrt eine kurze Zusammenfassung der gemeinsamen Oberstufenzeit sein kann. Unsere Erfahrungen sprechen jedenfalls dafür: Bestimmte Eigentümlichkeiten, liebenswerte Charaktereigenschaften, die sich im Unterricht nicht voll entfalten konnten, kamen auf der Studienfahrt in Reinkultur zur Geltung.

Unser Paradepferd der Evolution in diesem Sinne war Said B. Am 26. August 1995 wollten sich die beiden Leistungskurse Biologie 25 Minuten vor Abfahrt des Zuges um 22.30 Uhr am Gleis treffen. Natürlich rechnete niemand damit, daß Said vor 22.45 Uhr erscheinen würde, auch um 22.50 Uhr waren wir noch ganz gelassen, um 22.53 Uhr aber dann doch sehr dankbar, daß sich die Abfahrt des Zuges um 10 Minuten verspäten würde, um 22.56 Uhr erleichtert und froh, Said zu sehen, der seinerseits etwas irritiert war über die Aufregung der Lehrkräfte - wegen einer Minute Verspätung: “Wir wollten uns doch um 22.55 Uhr treffen?” Na ja, daß Matthias S. den Erste-Hilfe-Koffer vergaß (“Ehrenwort, Herr Hofmann, ich vergesse ihn ganz bestimmt nicht!”) ist so eine von den oben erwähnten liebenswerten Charaktereigenschaften.

Ansonsten verlief die Hinfahrt ohne größere Zwischenfälle, erwähnenswert vielleicht nur, daß sich Thomas F. in Chiasso einen bleibenden Platz im feministischen Herzen seiner Lehrerin eroberte - durch den nachdrücklich geäußerten Wunsch, eine Mädchenfußballmannschaft an der CSS zu trainieren. Ankunft in Pietra Ligure bei strahlendem Sonnenschein und praller Mittagshitze, jetzt nur noch mit dem Gepäck den Berg hoch und unsere Studien können beginnen. Bei diesem “survival of the fittest” erwies sich Oliver B. als äußerst fit. Er trug in wirklich beeindruckender Weise und unter nur gelegentlich geäußerten Verwünschungen nicht nur sein eigenes Gepäck, sondern auch den extrem schweren Rucksack seines Lehrers, der zurückgeblieben war, um im Mailänder Dom eine religiöse Stärkung zu sich zu nehmen. Auch Luisa F. war zurückgeblieben, um die ligurischen Lokalheiligen in der Landessprache gnädig zu stimmen. Dafür sei ihr hier noch einmal herzlich gedankt!

Doch zunächst zeigte sich der himmlische Beistand als deus absconditus: Unsere bestellten und bezahlten Quartiere waren nicht da, d.h. sie waren schon da, aber nicht für uns. Buchungsfehler, doppelt belegt - dumm gelaufen!

Da war die Empörung groß, Steven S. wollte sogar physiologische Rache am Schwimmbad nehmen. Ich selbst <Hn> möchte diese und die folgenden Stunden möglichst gründlich verdrängen (das nackte Grauen) und mich entsprechend kurz fassen. Eine Odyssee durch Pietra Ligure und neue Quartiersuche - der liebe Beistand Astrid U.s mit den italienischen braunen Augen <Ho> ist mir in diesem Alptraum allerdings in angenehmer Erinnerung geblieben. Nun, man soll ja nicht gegen SchülerInnen anunterrichten (so erinnerten wir uns an unsere Referendariats-Lehrsätze) - also ein zweiter Kompromiß: Wenigstens ein Gemeinschaftsnachmittag am Strand. Es kamen auch alle, na ja fast alle: vielleicht war ja Roman G. im Botanischen Garten (aber sicher nicht alleine). Silvia S. bewies ihre Qualitäten als Glatzencremerin, auch Claudio M. machte eine gute Figur als schöner Italiener <Ho>, am Abend zeigten sich dann einige Jungen und ein Mann von ihrer besten Seite <Hn>: Nestflüchter Niki P. kreierte äußerst wohlschmeckende Soßen, Japser H. zauberte ein wunderbares Fischgericht... weiter so.

Pädagogisch sinnvoll wäre sicher gewesen, die Gelegenheit zu nutzen, Matthias S. spülen zu lassen, das muß er nämlich noch lernen. Noch spült er so, wie er schreibt: da wird vergessen und viel verbraucht. Aus Gerechtigkeitsgründen war aber jemand anderes an der Reihe. (Das müssen wir doch jetzt nicht weiter schreiben, das ist doch langweilig - <Hn>.) Das Gelage endete jedenfalls in finnischer Ausgelassenheit: yksi, kaksi, kolme,... die ihre Grenze fand, als das Interesse der italienischen Nachbarn, finnische Zahlen zu lernen, nach 24 Uhr erlahmte und die dann ihrerseits versuchten, uns die italienische Sprache lautstark nahe zu bringen. Mitgebrachtes Unterrichtsmaterial: Die Hausordnung. Tina Tierfreund(in, <Hn>) war durch diese erneute Konfrontation allerdings überfordert.

Am vollgenden (1) Morgen begannen Tobias B.s klaustrophobischen Zustände. Seinem Bedürfnis nach Ruhe und Einsamkeit konnten wir jedoch nicht nachgeben, denn nun stand mit den Ausgrabungen von Balzi Rossi ein Höhepunkt der Studienfahrt auf dem Programm; für einen weiteren Höhepunkt der Studienfahrt wurden ebenfalls an diesem Tag die Weichen gestellt: Said B. wurde am Bahnhof kurz vor Abfahrt des Zuges noch gesehen - im Zug war er dann nicht mehr.

Balzi Rossi selbst ist nur etwas für KennerInnen, nicht alle konnten die Bedeutung des gesehenen richtig einschätzen (Understatement des Jahres). Vielleicht sind die Bruchstücke des Zaunes, den Tomislav C. mit seinem Bodybuilder - Körper bezwang, Spuren für zukünftige ForscherInnen.

Nun wollen wir aber doch endlich mit unseren naturkundlichen Studien beginnen. Da war zunächst der Besuch einer Tropfsteinhöhle angesagt, ein erster Programmpunkt, der problemlos (d.h. ohne allzu große Widerstände) verlief. Zwei Programmpunkte an einem Tag waren dagegen politisch nicht durchsetzbar, ein nahegelegenes Museum fiel den Mehrheitsverhältnissen 2:26 zum Opfer. Kampflos und ohne Zugeständnisse wollten wir uns allerdings nicht ergeben: die Wanderung am nächsten Tag (“Anpassungserscheinungen von Pflanzen an ihrem Standort”) sollte um so ausgedehnter werden. Hier beging Anette V. den Fehler ihres Lebens und besiegelte den Kompromiß mit einem Handschlag. Eine Frau, ein Wort: sie erschien dann auch am vollgenden Tag pünktlich um 6.00h am vereinbarten Treffpunkt, pünktlich erschienen auch Jana D. und Corinna B., die wir eigenhändig geweckt hatten. (2)

Deutlich mehr TeilnehmerInnen als bei der ersten Wanderung erschienen bei der zweiten - natürlich kamen nicht alle. Zu einfach für eine Preisfrage, deshalb nur eine einfache Frage: Wer fehlte? Natürlich Said B., der war mit Tomislav C. in Genua. (Mein Gott! Warum? Warum? Warum? Warum?) Deshalb mußte er ja auch am Vortag so intensiv die Fahrpläne studieren, daß er darüber das Einsteigen vergaß.

Gut gerüstet und passend gekleidet dagegen Eva F. Eventuelle Schäden an ihren Plateau-Schuhen gehen jedenfalls auf Herrn Hofmanns Rechnung, der in hinterhältiger Weise aus dem angekündigten Spaziergang eine Wanderung gemacht hat: “Ich verklage den Hofmann, ehrlich.” (“1,5h, 200 m Höhenunterschied.” <Ho>; “Na ja, vielleicht ein bißchen mehr.” <Hn>) Am Ende dieses Tages hatten dann aber doch alle eine Herberge und wir können wieder angenehme Dinge berichten. Corinna B. und Jana D., die sich mit uns ein Apartment teilen mußten, straften all das Gerede über den Werteverfall bei der Jugend Lügen: in aufrichtiger Sorge um die Moral der Lehrkräfte erklärten sie sich in selbstloser Weise freudestrahlend bereit, das größere und komfortablere Zimmer mit dem Ehebett zu übernehmen und die moralisch unbedenkliche Abstellkammer uns zu überlassen. Auch sonst waren die beiden absolut WG-tauglich, nur ihr ästhetisches Verständnis, was Designerbademoden von Lehrerinnen betrifft, ist noch ausbaufähig.

Der vollgende Morgen begann dann mit der ersten Moralpredigt. Zumindest bei Joti C. fiel diese auf fruchtbaren Boden, er half bei der weiteren Programmgestaltung äußerst konstruktiv mit. Zwei wollten den Botanischen Garten besuchen; zwei, bei denen das Referendariat doch noch gar nicht so lange zurück liegt - und trotzdem hatten sie schon die entscheidende didaktische Frage vergessen, auf die Joti C. sie nun wieder in freundlichem, hilfsbereitem Ton hinwies: “Oh mann, wen interessiert denn der Botanische Garten?” (3)

Holger N. hatte Wesentlicheres im Kopf und versuchte, unterwegs an wichtige Informationen aus dem Leben der VIPs zu gelangen. So gab es auch an diesem Tag wieder viel zu berichten, Astrid K.s Telefonrechnung nahm wohl astronomische Ausmaße an. Manches zu erzählen hatten auch abends die beiden Lehrkräfte, bei denen sich mittlerweile doch ein wenig Unmut angesammelt hatte - gewiß läßt der Begriff “Studienfahrt” einigen Interpretationsspielraum, aber... .

Ende gut, alles gut: der Abfahrtstag war da.

Erneut unterstützte uns Joti C. bei der Programmgestaltung, damit auch die letzten Minuten der Studienfahrt - wir standen bereits auf dem Bahnsteig - sinnvoll genutzt würden. Sein Vorschlag: das Häschenspiel zu spielen. Da stieg in uns LehrerInnen eine wahnwitzige und phantastische Hoffnung auf, möglich gemacht durch die feste Überzeugung, daß vor Gott nichts unmöglich sei: Vielleicht interessiert sich der Bub ja doch für Biologie? Allein - die kurz erläuterten Spielregeln erfüllten diese Hoffnung nicht: die SpielerInnen stellen sich auf die Gleise, dann kommt der Zug und wer als erstes wegspringt, ist das Häschen. Die werten LeserInnen können jetzt sicher unsere Freude und Dankbarkeit ermessen, als schließlich und endlich auch das letzte Umsteigen bewältigt war und alle, alle im ICE nach Frankfurt saßen.

Da saßen, lagen, lümmelten sie also in ihren Sitzen, verzehrten ihre letzten am Bahnhof erstandenen Fritten und Burger und der biologisch sicherlich nicht abbaubare Verpackungsmüll landete gelegentlich sogar im Abfalleimer.

Rational nicht zu erklären: Obwohl uns doch demonstriert wurde, daß unsere pädagogischen Bemühungen in Ökologie gescheitert waren, wurde uns bei diesem Anblick irgendwie warm ums Herz.

Ihr wart ein besonderer Jahrgang und wir beide sind sicher an Euch gewachsen.

Zu unseren LehrmeisterInnen gehörten außer den bereits Erwähnten noch:

Wassili A.: ...der trotz zusätzlichen Umschwungs einen prima Abgang hinlegte und leider bei der Fahrt nicht dabei war - obwohl er sehr gut in die Gruppe paßte (ist nett gemeint und nicht als Beleidigung);

Corina B.: ... kann besser schwimmen als Fahrrad fahren;

Ebru E.: ... ob sie manchmal dasselbe dachte wie wir beide?

Katja M.: ... eine Hessin in Italien;

Gregor L.: Danke für die Unterstützung bei der Suchaktion in den frühen Morgenstunden <Hn>

Danke für die drei schönen Jahre!

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